Zum 75. Geburtstag von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer haben Böhmer und der Spitzenkandidat der CDU Sachsen-Anhalt, Wirtschaftsminister Reiner Haseloff, der Leipziger Volkszeitung ein exklusives Doppelinterview gegeben. Die CDU Sachsen-Anhalt hat außerdem zu Ehren von Wolfgang Böhmer ein exklusives Plakatmotiv präsentiert, mit dem Wolfgang Böhmer ganz herzlich gratuliert wird.
Das Interview im Wortlaut:
Leipziger Volkszeitung: Herr Böhmer, Sie sind jetzt neun Jahre im Amt. Heute werden Sie 75 und wollen aufhören. Warum? Konrad Adenauer war ja in Ihrem Alter gerade erst in die Politik eingestiegen.
Wolfgang Böhmer: Ich bin nicht Konrad Adenauer. Und ich habe zunächst das Amt für eine Legislaturperiode übernommen, weil ich dachte, danach soll das jemand anderes machen. Dann bin ich überredet worden, noch eine Wahlperiode dranzuhängen. Nun ist die rum, und damit ist das Thema für mich erledigt. Ich denke nicht darüber nach, weiter zu machen. Erstens gibt es genügend junge Leute, die auch mal ran wollen. Und zweitens gibt es auch noch ein Leben vor dem Tod, das nicht unbedingt aus Politik bestehen muss.
Leipziger Volkszeitung: Wenn der Wähler es will und der mögliche Koalitionspartner auch, werden Sie, Herr Haseloff, der nächste Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Worauf wollen Sie aufbauen und wo würden Sie neue Akzente setzen?
Reiner Haseloff: Aufbauen will ich auf der mittlerweile entstandenen politischen Kultur. Das fängt bei der gewachsenen Leistungsbereitschaft an, die ja auch eine Mannschaftsleistung war. Die kann man aber nicht verordnen, sondern muss sie durch Fakten untersetzen. Das haben wir getan. Wir sind mittlerweile in allen Rankings besser platziert, unser Einsatz hat sich ausgezahlt. Die Arbeitsproduktivität ist gestiegen, die Zahl der Arbeitslosen nahezu halbiert. Auf diesen Erfolgen wollen wir aufbauen. Das Entscheidende ist, dass wir die Identifikation der Menschen mit dem Land erhöht haben, Sachsen-Anhalt wird mehrheitlich wieder als Heimat gesehen.
Leipziger Volkszeitung: Sie haben die Mannschaftsleistung betont. Das ist auch ein Lob für den Koalitionspartner SPD. Ist das der Grund, weshalb der Wahlkampf in Sachsen-Anhalt relativ schwer in Gang kommt?
Haseloff: Koalitionen sind immer ein Balanceakt. Denn jeder Partner weiß, in spätestens fünf Jahren treten wir im Wahlkampf wieder gegeneinander an. Wir haben uns mit der SPD zusammengerauft, sind sehr fair miteinander umgegangen und haben pragmatisch nach Lösungen fürs Land gesucht. Und das zahlt sich auch zwischenmenschlich aus. Wir haben kein Bedürfnis, aufeinander loszugehen. In der Sache werden wir die Unterschiede aufzeigen, aber nicht so, dass wir uns gegenseitig vorführen.
Leipziger Volkszeitung: SPD-Spitzenkandidat Bullerjahn hat immer wieder erklärt, er werde keinen linken Regierungschef akzeptieren und dabei auch nicht wackeln. Sind Sie sich sicher, dass es dabei bleibt?
Böhmer: Ich glaube Herrn Bullerjahn persönlich, aber ich weiß auch, dass er auf einem Parteitag nur eine Stimme hat. Auch ich habe schon erlebt, dass mir die eigene Partei nicht gefolgt ist. Das soll immer wieder mal vorkommen. Deshalb bin ich nicht frei von Skepsis.
Leipziger Volkszeitung: Herr Bullerjahn hat jetzt erstmals die Zähne gezeigt und das Kultusministerium für die SPD reklamiert. Ärgert Sie das?
Haseloff: Bildung ist ein Thema, mit dem sich die SPD im Wahlkampf profilieren will. Insofern wundert mich das nicht. Die SPD setzt auf Strukturveränderungen, was aber eigentlich ein Vorteil für uns ist. Denn die Leute wollen gar keine strukturellen Veränderungen. Die Frage ist, wo man sich schließlich einigt.
Leipziger Volkszeitung: Wie sehen Sie das, Herr Böhmer?
Böhmer: Das ist kein Thema, das jetzt anliegt. Solche Fragen entscheiden sich in Koalitionsverhandlungen und nicht davor. Es gibt allerdings bestimmte Ressorts, die eine größere Bedeutung haben. Dazu gehört das Finanzministerium, aber auch das Kultusministerium. Und da sage ich: Jeder Koalitionspartner kann eines davon haben, aber nicht beide.
Leipziger Volkszeitung: Herr Böhmer, nächsten Freitag sind Sie zu Gast im Mansfelder Land. beim Neujahrsempfang des SPD-Ortsvereins. Das ist der Heimatwahlkreis von Herrn Bullerjahn. Was motiviert Sie mitten im Wahlkampf zu solch einer Aktion?
Böhmer: Die gute Wurst, die mir dort versprochen worden ist. Ich war vor einigen Jahren schon mal dort. Daran erinnere ich mich gern. Das ist kein Wahlkampf für einen politischen Gegner. Ich bin schon damals ganz gut weggekommen.
Leipziger Volkszeitung: Aber Sie machen Bullerjahn damit bekannt...
Böhmer: Das brauche ich nicht, das ist er schon.
Leipziger Volkszeitung: Werden Sie sich als Ministerpräsident aktiv in den Wahlkampfeinbringen?
Böhmer: Diese Frage wird mir erstaunlicherweise oft gestellt. Ich werde mich in dem Maße einbringen, wie ich dazu gebeten werden.
Haseloff: Das geschieht auch schon.
Leipziger Volkszeitung: Planen Sie eine Neuauflage der Rote-Socken-Kampagne?
Haseloff: Das ist nicht unser Thema. Das erledigen die Linken mit ihrer Kommunismus-Debatte derzeit selbst.
Leipziger Volkszeitung: Herr Böhmer, mitunter bringen Sie sich mit ruhiger, aber deutlicher Stimme in die Bundespolitik ein und sind dabei zuweilen auch ein Mahner der eigenen Partei. Ist die CDU noch eine Volkspartei?
Böhmer: Die CDU ist noch eine Volkspartei, auch von der soziologischen Zusammensetzung und der Abbildung der unterschiedlichen Interessen in der Bevölkerung. Ich wünschte mir aber gelegentlich mehr interne Abstimmungen in der Partei. Wenn sich in Deutschland drei Geberländer mit CDU-Majorität mit mehreren Nehmerländern mit CDU-Majorität gegenseitig beharken, leidet die Glaubwürdigkeit der Partei.
Leipziger Volkszeitung: Herr Böhmer, Sie gehören zu den Ministerpräsidenten, die ihre Amtszeit auch zu Ende bringen. Das ist bei vielen Ihrer CDU-Kollegen nicht mehr so üblich. Sind diese Aussteiger ein Problem für die CDU?
Haseloff: Herr Böhmer ist ja der einzige, der noch übrig geblieben ist!
Böhmer: Ich habe es niemanden empfohlen. Alle wussten bei der Übernahme des Amtes, wie lange eine Legislaturperiode dauert. Jetzt so zu tun, als sei man darüber überrascht und darauf zu verweisen, dass es auch noch was anderes im Leben gebe, das überzeugt mich nicht. Wenn aber ein Ministerpräsident einen Job angeboten bekommt, mit dem zehnfachen Gehalt, dann würde mich das auch in Versuchung führen. Mir hat das nur niemand angeboten und mein Gehalt reicht natürlich auch aus.
Leipziger Volkszeitung: Herr Böhmer, ist Herr Haseloff ein guter Wahlkämpfer mit dem notwendigen Volkstribun-Image?
Böhmer: Was heißt denn Volkstribun-Image? Wenn Sie wie ich einige Jahre Ministerpräsident sind, versuchen Sie das Land und die Koalition zusammenzuhalten und sind nicht nur Parteipolitiker. Meinen Wahlkampf habe ich dann für eine Partei gemacht und nicht mit den Attitüden eines Volkstribuns. Ich habe für eine bestimmte Zielsetzung gekämpft. Das muss auch Herr Haseloff in seinem Wahlkampf machen, und das macht er auch.
Leipziger Volkszeitung: Welche Tipps würden Sie geben?
Böhmer: Wahlkampf muss immer für die Grundsätze der eigenen Partei eintreten, sonst wird man unglaubhaft. Er muss aber auch in der klaren Erkenntnis geführt werden, dass es für das Land nicht nur um Parteipolitik gehen kann, sondern um die Sicherung der Zukunft. Deshalb kann man keinen Wahlkampf für eine Koalition machen, aber auch auf keinen Fall einen, der eine Koalition ausschließt oder erschwert.
Leipziger Volkszeitung: 2006 landete die CDU bei 36 Prozent. Ist das die Messlatte für den 20. März?
Haseloff: Die Ergebnisse der letzten beiden Landtagswahlen sind die Orientierungspunkte, die wir auch erreichen wollen. Wir brauchen eine stabile Mehrheit, dafür ist in Sachsen-Anhalt nach Lage der Dinge ein Koalitionspartner notwendig. Abgesehen von den Linken und den Rechtsextremen wollen wir mit jedem Partner koalitionsfähig sein, den uns der Wähler an die Seite gibt.
Leipziger Volkszeitung: In Umfragen liegt SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn in punkto Popularität vom. Sollte die SPD noch die Linke überholen, könnte es eng für die Union werden.
Haseloff: Für mich ist das nicht entscheidend. Wenn mich die, die mich sympathisch finden, alle wählen würden, dann hätten wir fast die absolute Mehrheit. Die werden wir aber aller Voraussicht nach nicht bekommen. Ich habe aber jetzt schon einen höheren Bekanntheitsgrad als der Ministerpräsident vor 2002. Das Entscheidende ist doch, dass wir als Partei mit unseren Zielen akzeptabel für den Wähler werden. Wir müssen auch klarmachen, dass jede Stimme wichtig ist.
Leipziger Volkszeitung: Herr Böhmer, auch ein Ex-Ministerpräsident wird noch stapelweise Einladungen erhalten. Wollen Sie trotzdem Hobbys wiederbeleben?
Böhmer: Ich habe mir vorgenommen, mich wieder mehr im Garten körperlich zu betätigen. Meine Frau hat mir allerdings schon ein Verbot erteilt. Bäume zu verschneiden, weil ich immer die falschen Äste absägen würde. Ansonsten komme ich hoffentlich dazu, die Briefmarken zu sortieren, die ich seit Jahren in Schuhkartons sammle.
Leipziger Volkszeitung: Herr Haseloff, auf welche Hobbys wollen sie selbst als möglicher Ministerpräsident nicht verzichten?
Haseloff: Ich bin gewöhnt, dass es für mich kaum Freizeit gibt. Was ich aber auf jeden Fall weiter hochhalten will, ist mein Familienleben. Ich bin inzwischen vierfacher Großvater, diese Beziehungen zu meiner Familie werde ich weiter pflegen. Ansonsten nehme ich mir vor, dass ich mich im Garten oder im Weinkeller von Herrn Böhmer von Zeit zu Zeit mit ihm über die allgemeine Lage und speziell über die in Sachsen-Anhalt im angeregten Gespräch austauschen werde.
Böhmer (lacht): Da muss ich aber deutlich sagen, dass ich da gefragt werden möchte. Von alleine dränge ich mich nicht auf.
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