Sonntag, 20. Mai 2012

Bundesregierung: Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gipfeltreffen der G8-Staaten am 19. Mai 2012

Bundesregierung: Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gipfeltreffen der G8-Staaten am 19. Mai 2012

In Camp David


BK'IN MERKEL: Meine Damen und Herren, wir haben unsere Beratungen in Camp David gestern Abend mit dem Thema Außenpolitik begonnen. Hier gab es eine sehr breite Diskussion über die Frage des Atomprogramms des Iran. Wir haben deutlich gemacht, dass wir auf einen Fortschritt bei den Verhandlungen in Bagdad setzen und dass die Sanktionen zu wirken beginnen. Es gab hier eine große Übereinstimmung zwischen allen Teilnehmern des G8-Treffens, dass wir die Kombination eines Verhandlungsangebots an den Iran und von gleichzeitig harten Sanktionen gegen den Iran fortsetzt werden.

Wir haben uns über die Lage in Syrien ausgetauscht und hierbei vor allen Dingen noch einmal betont, dass der Annan-Plan umgesetzt werden sollte, dass es hierbei noch erhebliche Schwächen gibt, dass wir natürlich daran appellieren, dass die Gewalt beendet wird, und dass wir alle denkbaren Möglichkeiten anwenden, um gerade auch Menschenleben in Syrien zu schützen.

Heute Morgen stand das Thema der Weltwirtschaft und der weltwirtschaftlichen Entwicklung auf der Tagesordnung. Wir waren uns einig, dass die Weltwirtschaft nach der großen internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise gute Anzeichen von Erholung zeigt, dass es aber noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten gibt.

In diesem Zusammenhang ist natürlich über die Eurozone gesprochen worden, aber auch über die Situation in allen anderen Teilnehmerstaaten des G8-Treffens. Wir waren uns vollkommen einig, dass wir beides brauchen: Haushaltsdisziplin bzw. Sanierung unserer Haushalte und gleichzeitig alle Anstrengungen für Wachstum. Das bedingt einander geradezu. Das heißt, hierbei ist es wichtig, auf beiden Pfaden zu arbeiten, und das haben hier heute alle Teilnehmer deutlich gemacht. Ich glaube, das ist ein großer Fortschritt.

Wenn es um das Wachstum geht, dann lautet die Frage: Wie kann ich Wachstum schaffen? Hierzu ist gerade von den europäischen Kollegen und auch von mir persönlich noch einmal berichtet worden, dass Wachstum im Grunde durch drei Anstrengungen geschaffen werden kann: erstens dadurch, dass wir unsere Haushalte eben konsolidieren, zweitens dadurch, dass wir strukturelle Reformen durchführen, und drittens dadurch, dass wir vor allen Dingen Zukunftsinvestitionen im Auge haben.

Hier ist aber auch klar gewesen:

Es geht nicht um Konjunkturprogramme im herkömmlichen Sinne, wie wir sie nach der Krise aufgelegt haben. Alle waren sich darüber einig, dass solche Konjunkturprogramme im Augenblick nicht wiederholt werden können. Es geht um Investitionen in Forschung und in zukunftsfähige Infrastruktur ‑ in Europa zum Beispiel in digitale Netze ‑ oder aber auch um die Vollendung des Binnenmarktes in Europa insgesamt. Wir als Teilnehmer der Europäischen Union werden diese Diskussion ja fortsetzen, aber insofern ist das hier von allen Seiten auch sehr unterstützt worden.

Wir haben auch über Griechenland gesprochen und bezüglich Griechenlands noch einmal festgehalten: Alle, die sich heute an der Diskussion beteiligt haben, und alle G8-Staaten wollen, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibt - vorausgesetzt aber, dass die Verpflichtungen, die Griechenland in dem Memorandum eingegangen ist, auch erfüllt werden. Das war hier ein ganz deutlicher Beitrag zu der Diskussion, und das ist hier auch von allen gleichermaßen so geteilt worden.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, ist an Sie der Wunsch herangetragen worden, dass man Griechenland bis zu den Neuwahlen vielleicht finanzielle Zugeständnisse über das Memorandum hinaus macht, also in Bezug auf spezielle, besondere Hilfen für Griechenland?

BK'IN MERKEL: Nein, der Wunsch ist nicht an uns herangetragen worden. Wir haben natürlich gesagt: Wenn wir irgendwo noch einmal etwas tun können, was das Wachstum in Griechenland befördert ‑ über die Europäische Investitionsbank, über Strukturfonds ‑, dann sind wir dafür natürlich offen. Aber das ist nicht als Ersatz für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Memorandum zu verstehen, das von der Troika ausgehandelt wurde.

Es ist hier auch noch einmal durch José Manuel Barroso deutlich gemacht worden, dass wir Griechenland auch schon erhebliche Unterstützung gegeben haben, zum Beispiel aus den Strukturfonds und über die Europäische Investitionsbank. Aber wo immer das verstärkt werden kann, werden wir das mit sehr offenem Ausgang und natürlich wohlwollend prüfen.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, was die von Ihnen genannten Zukunftsinvestitionen angeht, sagen Sie, es sollten keine Konjunkturprogramm werden. Aber wo soll denn das Geld herkommen? Ist darüber gesprochen worden? Geht es dabei nur um Strukturfonds, die es sowieso schon gibt, oder wird dafür weiteres Geld zur Verfügung gestellt werden?

BK'IN MERKEL: Wir werden ja, wenn es um Europa geht, unsere Beratungen an dieser Stelle in Richtung des Juni-Rates fortsetzen, also die Beratungen, die wir schon im Januar und im März begonnen haben. Hierbei geht es zum einen um das Kapital der Europäischen Investitionsbank ‑ Deutschland wäre bereit, dieses Kapital aufzustocken und daraus dann auch neue Kreditvergaben zu ermöglichen ‑, und zum anderen auch um die viel flexiblere Verwendung der Strukturfonds. Aber in dieser Hinsicht sind wir heute nicht ins Detail gegangen.

Die wichtige Botschaft heißt doch: Konsolidierung und Wachstum sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, und das ist eine Diskussion, die von allen gleichermaßen so und genau so geführt wurde.

FRAGE: Es scheint so, als ob Frankreich und Deutschland in dieser Debatte zwei etwas unterschiedlich gewichtete Ansätze vertreten. Auf welche Seite hat sich denn Präsident Obama geschlagen?

BK'IN MERKEL: Ich habe ja gerade gesagt, dass Frankreich und Deutschland an dieser Stelle keine zwei unterschiedlichen Seiten vertreten, sofern dass die Diskussion hier ergeben hat ‑ sonst hätten wir uns ja auch nicht auf ein Kommuniqué einigen können -, sondern dass ganz klar gewesen ist, dass wir ohne finanzielle Solidität auch wieder sehr große Verunsicherung im Euroraum haben werden. Das heißt, beide Dinge gehören zusammen. Wir haben verabredet ‑ Frankreich, Deutschland, Italien, aber auch die Kommission, der Europäische Rat und genauso David Cameron ‑, dass wir bis zum Juni-Rat die verschiedenen Optionen und Vorstellungen sozusagen bewerten wollen, und zwar in Hinsicht darauf, wie wir die Elemente des Wachstums zusammenpacken können, die wir schon im Januar und im März entwickelt haben. Aber das muss in Europa gemacht werden; das ist hier nicht die Diskussion gewesen.
Wichtig in der ganzen Diskussion ‑ das war auch den Ministerpräsidenten von Japan, Russland, Kanada und vor allen Dingen dem amerikanischen Präsidenten wichtig ‑ ist: Wirtschaft ‑ das wissen wir in Deutschland seit Ludwig Erhard ‑ hat viel mit Psychologie zu tun. Deshalb ist das Ergebnis unserer Diskussion, dass wir ein gemeinsames Signal aussenden wollen, dass wir die Erholung der Weltwirtschaft wollen und dass dazu die beiden Elemente solide Finanzen und Wachstum untrennbar zusammengehören und nicht gegeneinander ausgespielt werden können. -

Ich bedanke mich!

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