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Aktualisiert am 05.09.2010
Christian Wulff kommt am Mittwoch in die Schweiz. Nach gut zwei Monaten im Amt unternimmt der deutsche Bundespräsident seinen ersten Staatsbesuch. Im Zentrum stehen zwei heisse Dossiers.
In einem Sonderzug fahren die Gäste aus Deutschland am Mittwoch mit Bundespräsidentin Doris Leuthard nach Bern, wo Wulff mit militärischen Ehren empfangen wird. Anschliessend stehen ein gemeinsames Gespräch und ein Treffen mit Wirtschaftsvertretern auf dem Programm, wie der Internetseite des deutschen Staatsoberhaupts zu entnehmen ist.
Am zweiten Tag führt die Reise zunächst nach Lausanne, wo Wulff die Eidgenössiche Technische Hochschule (EPFL) besuchen wird. In der Universität Zürich nimmt er später an einer Podiumsdiskussion teil.
Enge Beziehungen - ungelöste Probleme
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz. In den Grenzregionen des Oberrheins und des Bodensees gehört eine intensive Zusammenarbeit zum Alltag, und die über 250'000 Deutschen in der Schweiz sind hinter den Italienern mittlerweile zur zweitgrössten Ausländergruppe angewachsen.
Entsprechend pflegt die Schweiz die bilateralen Beziehungen auf Regierungsebene: In ihrem Präsidialjahr hat sich Leuthard bereits zweimal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen. Zudem hatte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey im Dezember ihren Amtskollegen Guido Westerwelle zu Arbeitsgesprächen empfangen.
«Atmosphäre hat sich stark verbessert»
Dass nun auch der Bundespräsident nach Bern kommt, freut die Schweiz: «Wir deuten das als ein positives Zeichen des Interesses und der Absicht, an höchster deutscher Stelle die Beziehungen mit der Schweiz zu pflegen», sagte der Schweizer Botschafter in Berlin, Tim Guldimann, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
«Die politische Atmosphäre zwischen beiden Ländern hat sich stark verbessert. Das bedeutet nicht, dass dadurch die Probleme gelöst wären. Sie sind weiterhin da», schränkte er aber auch gleich ein.
Im Zentrum der Gespräche standen in letzter Zeit jeweils zwei Dossiers: Der Fluglärmstreit und die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) beider Länder. Dies dürfte auch beim anstehenden Besuch nicht anders sein.
Schweiz erwartet deutsche Rechtshilfe zu gestohlener Banken-CD
Die Schweiz hat vor dem Staatsbesuch erneut die Unterstützung Deutschlands bei der Aufklärung von Bankdaten- Diebstahl eingefordert. Dies sagte die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard gemäss einem Vorabdruck des deutschen Nachrichtenmagazins «Focus». Es geht um eine CD mit Schweizer Bankdaten über deutsche Steuerbetrüger. Die Schweiz will den Informanten der deutschen Finanzbehörden genannt bekommen und hat deshalb Berlin um Rechtshilfe gebeten.
Das Thema dürfte beim Treffen Wulffs mit Leuthard zur Sprache kommen. «Wir reden hier von einem Straftatbestand. Der Täter hat diese Firma betrogen, vielleicht war es auch Diebstahl. Das muss ein Richter beurteilen», sagte Leuthard im «Focus»-Interview.
Weitere Datenträger angeboten
«Aber klar ist, dass wir Kriminelle suchen und auch auf die Hilfe von Staaten zählen, die den Aufenthaltsort von Kriminellen kennen oder kennen könnten. Deshalb sind wir sehr gespannt auf die Antwort Deutschlands.»
Mitte Februar war bekannt geworden, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft ein offizielles Rechtshilfeersuchen an Deutschland gestellt hat.
Zuvor war dem Bundesland Baden-Württemberg eine CD mit Schweizer Bankdaten zum Kauf angeboten worden. Weil die schwarz-gelbe Regierung in Stuttgart sich weigerte, sprang Berlin gemeinsam mit dem Land Niedersachsen ein. Den deutschen Behörden wurden später weitere Datenträger mit Informationen über Bankkonten angeboten.
(bru/sda (Carol Mauerhofer))
Erstellt: 05.09.2010, 16:45 Uhr
Offene Fragen im DAB
Die Schweiz und Deutschland haben sich im März grundsätzlich auf ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DAB) nach OECD-Standard geeinigt. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll bis in den Herbst Lösungen zu den noch offenen Fragen präsentieren.
Ungeklärt ist unter anderem, was mit unversteuerten Geldern geschehen soll, die Deutsche in den vergangenen Jahren in der Schweiz deponiert haben. Geregelt sind nur neue Schwarzgeld-Fälle, in denen die Schweiz bei einem Amtshilfegesuch Informationen weitergibt.
Eine Amnestie für Steuersünder lehnt Deutschland ab. Geprüft wird derzeit der Vorschlag einer Abgeltungssteuer: Schweizer Banken würden eine Steuer auf nicht deklarierte ausländische Vermögen erheben und diese anonym an den deutschen Fiskus weiterleiten. Im Gegenzug wird verlangt, dass Zulassungsbeschränkungen für Schweizer Banken auf dem deutschen Markt aufgehoben werden.
Ungelöst ist ausserdem der Umgang mit gekauften gestohlenen Bankdaten. Die Schweiz lehnt bislang eine Amtshilfe ab, wenn Deutschland sein Gesuch auf solche Daten stützt.
In dieser Sache hatte Bern in Berlin auch ein Rechtshilfegesuch eingereicht. Dieses dürfte beim Staatsbesuch zur Sprache kommen. Da die Schweiz Kriminelle suche, zähle sie auf die Hilfe von Staaten, die deren Aufenthaltsort kennen dürften, sagte Leuthard in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin «Focus».
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