von Jochen Wiemken Berlin 5. Juni 2012
Vor 65 Jahren wurde der Marshallplan vorgestellt, ohne den Europa heute anders aussähe. Für US-Botschafter Philip D. Murphy in Berlin war das „die wichtigste diplomatische Initiative in der Geschichte der Menschheit“, wie er im Gespräch mit SPD.de verrät. Zusammen mit dem German Marshall Fund feiert die US-Botschaft heute (5. Juni 2012) das Jubiläum im Willy-Brandt-Haus.
Am 5. Juni 1947 schlug der amerikanische Außenminister George C. Marshall ein Wirtschaftsaufbauprogramm für Europa vor.
Mit dem „Marshallplan“ sollte nicht nur das kriegszerstörte Europa wieder aufgebaut werden, auch ein friedliches, geeintes Europa war eines der Ziele.
25 Jahre später bedankte sich Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mit der Einrichtung des „German Marshall Funds“.
Ziel der Stiftung ist es, die Beziehungen zwischen Europa und Amerika dauerhaft zu stärken.
Am Dienstag, den 5. Juni 2012, feiern der „German Marshall Fund“ zusammen mit der "Jungen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V." (DGAP) und der Botschaft der Vereinigten Staaten im Willy-Brandt-Haus den 65. Jahrestag des Marshall Plans und das 40. Gründungsjahr des German Marshall Fund.
SPD.de sprach mit Philip D. Murphy, dem Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland, über das heutige Verhältnis von Europa und den USA.
SPD.de:
Herr Botschafter, heute vor 65 Jahren wurde der Marshallplan vorgestellt. Durch ihn konnte sich Westeuropa aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs erheben. Während US-Präsident Obama von den Europäern fordert, mehr für das Wirtschaftswachstum zu tun, hat sich Bundeskanzlerin Merkel bisher auf strikte Haushaltsdisziplin als Mittel gegen die Krise verlassen. Muss es für Europa, muss es für Südeuropa so etwas wie einen zweiten Marshallplan geben?
U.S. Botschafter Philip D. Murphy:
Die vielleicht berühmteste und sicherlich einflussreichste Rede bei einer Abschlussfeier war die Rede von Außenminister George C. Marshall an der Harvard University am 5. Juni 1947.
In dieser Rede kündigte er einen Plan über wirtschaftliche Hilfe für die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Länder Europas an.
An diesem Junimorgen in Harvard und anschließend auch andernorts in den Vereinigten Staaten erklärte er, warum es im Interesse des kriegsmüden Amerika sei, dem vom Krieg verwüsteten Europa beim Wiederaufbau zu helfen.
Das allein war schon bedeutend, aber was den Marshallplan – der meines Erachtens die wichtigste diplomatische Initiative in der Geschichte der Menschheit ist – so revolutionär machte, war der Beginn einer völlig neuen Art der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit.
Die Zusammenarbeit der 17 Länder, die der Einladung zur Teilnahme Folge leisteten, war eine Voraussetzung.
Viele Länder waren zurückhaltend, was die Erlaubnis einer uneingeschränkten Partnerschaft Deutschlands mit dem Westen anging.
Aber die widrigen Bedingungen im Nachkriegseuropa und die Logik der Wiederaufbaupläne überzeugte sie davon, wie wichtig Einigkeit war.
Und was war das Ergebnis?
Europa hat sich von einem von Krieg und Zwietracht zerrissenen Kontinent zu einer Union von Ländern und Idealen entwickelt, die sich für eine Welt mit mehr Sicherheit, Demokratie und Wohlstand einsetzen.
Heute ist das Wort Marshallplan ein Synonym für Erfolg. Aber wenn heute ein Marshallplan für den Nahen Osten, den arabischen Frühling oder sogar Südeuropa gefordert wird, ist das kein Ruf nach Finanzspritzen.
Ich denke, es ist der Ruf nach dem Modell für Zusammenarbeit und gemeinsames Handeln, für das der Marshallplan steht.
SPD.de:
Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa geht es Deutschland in dieser Krise gut. Hat Amerika spezielle Wünsche an die Deutschen?
U.S. Botschafter Philip D. Murphy:
Die Forderungen von Bundeskanzlerin Merkel nach „mehr Europa“ und weiteren Fortschritten in Richtung einer politischen Union spiegeln den Geist des Marshallplans wider.
Durch den Marshallplan waren die Länder Europas angehalten, zusammenzuarbeiten und eine langfristige Lösung auszuarbeiten, die einen von Krieg und Diktatur zerrütteten Kontinent zu Demokratie, Frieden und Wohlstand führen würde.
Das 21. Jahrhundert hat neue Herausforderungen mit sich gebracht. Deutschland muss als eines der stärksten und führenden Länder Europas mit seinem starken Exportsektor und seiner wachsenden Volkswirtschaft der Motor der europäischen Krisenpolitik bleiben.
Das bedeutet die Ausarbeitung konkreter und erreichbarer Schritte für die Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts. Genau darum geht es bei der Verpflichtung zu europäischer Solidarität.
SPD.de
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Europa und den USA heute? Entfernt sich Amerika von Europa? Wendet es sich stärker dem Pazifik zu?
U.S. Botschafter Philip D. Murphy:
Die transatlantischen Beziehungen sind ein Vorbild für die ganze Welt – und ein Vorbild für die amerikanische Diplomatie von Präsident Obama und US-Außenministerin Clinton im transpazifischen Raum.
Europa bleibt der Eckpfeiler des weltweiten amerikanischen Engagements.
Die stärksten Partner der Vereinigten Staaten für die Bewältigung der schwierigen globalen Herausforderungen, vor denen die Welt steht, befinden sich genau hier in Europa.
In den vergangenen 65 Jahren wurden die Verbindungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gestärkt, indem wir gemeinsam daran gearbeitet haben, die Lehren von Freiheit und Demokratie zu fördern. Unsere gemeinsamen Werte und Interessen zum Wohle einer friedlicheren Welt haben ihre Wurzeln in der reichen Geschichte unserer transatlantischen Partnerschaft.
Wir streben nicht nur mit Deutschland, Frankreich und allen unseren europäischen Partnern dasselbe tiefgehende und umfassende Engagement an, sondern auch mit anderen Ländern auf der Welt.
Warum?
Weil wir wissen, dass unser aller Zukunft davon abhängt.
Video Founding GMF: How GMF Grew from an Idea to an Institution
The Birth of GMF(German Marshall Fund of the United States (GMF))
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